Neue Zeitrechnung



Text:
Björn Brückerhoff    Bild: Photocase.de

Die Lebenserwartung der Deutschen steigt. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Geburten ab. Es gibt also immer mehr Alte, die Jüngeren werden dagegen knapp. Durch einen Rechentrick wollen Warren Sanderson von der State University of New York in Stony Brook und Sergei Scherbov vom Institut für Demographie in Wien  begründen, wie man das Rentensystem trotzdem retten kann. Ihr standardisiertes Alter macht die Lösung simpel: längere Lebensarbeitszeiten. Das allein wäre nicht neu.
 
Sanderson und Scherbov geben zu bedenken, dass sich die Lebenserwartung des Menschen in den vergangenen Jahren stark erhöht hat. Ihre Rechnung ist einfach. Der durchschnittliche Deutsche des Jahres 2000 war 39,9 Jahre alt und hatte im Durchschnitt noch eine Lebenserwartung von 39,2 Jahren.  Im Jahr 2050 wird der durchschnittliche Deutsche nach den Prognosen der Wissenschaftler 51,9 Jahre alt sein. Trotzdem wird er dann noch fast genau so viel Zeit vor sich haben wie der Durchschnittsbürger aus dem Jahr 2000, nämlich 37,1 Jahre. Das Jahr 2000 ist bei der Berechnung des standardisierten Alters der Bezugspunkt. Ausgehend von den verbleibenden Jahren ist der 50-Jährige des Jahres 2050 nach standardisiertem Alter erst 40 – weil er noch so viel Zeit vor sich hat wie der durchschnittliche 40-Jährige der Jahrtausendwende. Dabei werden auch jene mit in die Rechnung einbezogen, die sich keine aufwendige Gesundheitsvorsorge leisten können. Eine entsprechend angepasste Lebensarbeitszeit könnte, so der theoretische Vorschlag der Forscher, die Rentensysteme wieder funktionsfähig machen.
 
Unberücksichtigt bleibt bei der Untersuchung freilich, ob trotz der gesundheitlichen Verbesserungen die geistige Fitness der Arbeitnehmer ausreicht, um die komplexen Aufgaben des zukünftigen Arbeitsmarktes zu
beherrschen und rasante Weiterentwicklungen mitzutragen. 2050 arbeitet man vermutlich vor allem mit dem Kopf. Wer nach standardisiertem Alter mit ungefähr 75 in den Ruhestand geht, wird eine klar überdurchschnittliche Menge Lernarbeit geleistet haben müssen. Wer das nicht geschafft hat, fällt schon früher durch das Raster.  Heute droht dem durchschnittlich ausgebildeten und durchschnittlich alten Deutschen bei einem Rauswurf die Langzeitarbeitslosigkeit, der 60-Jährige kann sich nach der Kündigung der Arbeitsstelle die Bewerbung um einen neuen Job sparen: der Arbeitsmarkt hat keinen Bedarf mehr.


ZUM SEITENANFANG

AUSGABE 44
DIE NEUEN JUNGEN ALTEN





STARTSEITE

EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT PROF. PETER WIPPERMANN
DIE NEUEN ALTEN
ZWEITER FRÜHLING.COM
NEUE ZEITRECHNUNG

DIE HEIMLICHE ZIELGRUPPE
WELCHE FARBE HAT DAS ALTER?
DÜRFEN SIE SCHON/MÜSSEN SIE NOCH?
SEXY GREISE UND WEISE DAMEN
GLEICHZEITIG ALT UND JUNG
GESCHICHTE DES ALTERS IN DER ANTIKE

ALLE AUSGABEN
IN STICHWORTEN
ÜBER DAS MAGAZIN
KOSTENLOSER NEWSLETTER
IMPRESSUM




Diesen Artikel drucken  Diesen Artikel an einen Freund senden

Bitte geben Sie hier die E-Mail-Adresse des Empfängers ein
und drücken anschließend auf "Beitrag empfehlen".


 
 
Sie können den kostenlosen Newsletter des Magazins abonnieren,
um bei Veröffentlichung einer neuen Ausgabe direkt informiert zu werden.

Wie Sie den Newsletter bestellen können, erfahren Sie hier.